Sozialversicherungspflicht von GmbH Geschäftsführern:

Bericht des BSG über seine Sitzung vom 19.09.2019, in der er über vier Revisionen aus dem Versicherungs- und Beitragsrecht zu entscheiden hatte.

Bericht des BSG über seine Sitzung vom 19.09.2019
in der er über vier Revisionen aus dem Versicherungs-
und Beitragsrecht zu entscheiden hatte.

Pro Familienunternehmen / 27. September 2019

Der 12. Senat des BSG berichtet über seine Sitzung vom 19.09.2019, in der er über vier Revisionen aus dem Versicherungs- und Beitragsrecht zu entscheiden hatte.

BSG AZ.: B 12 R 25/18 R, B 12 KR 21/19 R, B 12 R 7/19 R und  B 12 R 9/19 R vom 19.09.2019

Die Klägerinnen in allen Revisionsverfahren waren in den streitbefangenen Zeiträumen Familienge­sellschaften in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Sie wenden sich gegen die Feststellung von Versicherungspflicht ihrer Geschäftsführer durch die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund und daraus resultierende Nachforderungen von Beiträgen zur Sozialversi­cherung aufgrund von Betriebsprüfungen. Klage und Berufung sind in allen Verfahren ohne Erfolg ge­ blieben.

Die klagenden Gesellschaften rügen eine Verletzung von § 7 Abs. 1 SGB IV in Verbindung mit dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsatz des Vertrauensschutzes. Sie berufen sich im Wesentlichen darauf, dass sie aufgrund der sog. „Kopf und Seele“-Rechtsprechung darauf vertrauen durften, dass ihre Geschäftsführer selbständig tätig und damit nicht versicherungspflichtig gewesen seien. Nach dieser Rechtsprechung habe eine rechtlich bestehende Abhängigkeit von Geschäftsführern in Familiengesellschaften durch die tatsächlichen Verhältnisse überlagert werden und eine selbstständige Tätigkeit etwa vorliegen können, wenn ein Geschäftsführer aufgrund seiner Stellung in der Familie die Geschäfte der Gesellschaft wie ein Alleingesellschafter nach eigenem Gutdünken ge­ führt und die Ordnung des Betriebes geprägt habe, er „Kopf und Seele“ des Unternehmens gewesen sei oder er – wirtschaftlich gesehen – seine Tätigkeit nicht wie für ein fremdes, sondern wie für ein ei­genes Unternehmen ausgeübt habe.

Die klagenden Gesellschaften machen geltend, dass mindestens bis zu den Urteilen des BSG vom 29.08.2012 (B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R) eine ständige und gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bestanden habe, von der sie als Familiengesellschaften auch insofern profitiert hätten, als ihre Geschäftsführer nicht als abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig zu beurteilen gewesen wären. Erst im Jahr 2012 habe der Senat Zweifel an einer Anwendbarkeit der „Kopf und Seele“-Rechtsprechung im Versicherungs- und Beitragsrecht geäußert. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund habe ihre Weisungslage im Jahr 2014 an die Änderung dieser Rechtsprechung angepasst.

Die vier Revisionen der klagenden GmbHs sind zwar ausnahmslos ohne Erfolg geblieben. Das BSG hat die Verfahren allerdings zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu beanstandungslosen Betriebsprüfungen im Hinblick auf die grundrechtsrelevante lndienstnahme der Arbeitgeber für Zwecke der Sozialversicherung fortzuentwickeln, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Künftig ist auch bei beanstandungsfreien Betriebsprüfungen das Verfahren gemäß § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV durch einen Verwaltungsakt abzuschließen, der insbesondere den Umfang, die geprüften Personen und das Ergebnis der Betriebsprüfung festhält. Dies ergibt sich insbesondere aus der Einführung von § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV zum 01.01.2017, wonach der Arbeitgeber durch den Prüfbescheid oder das Abschlussgespräch zur Prüfung Hinweise zu den festgestellten Sachverhalten erhalten soll, um in den weiteren Verfahren fehlerhafte Angaben zu vermeiden.

Nach wie vor sind zwar die betriebsprüfenden Rentenversicherungsträger bei der Definition des Gegenstands einer Betriebsprüfung grundsätzlich frei (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 BVV). Aus dem systematischen Zusammenspiel der Regelungen über die Statusfeststellung und der vom Gesetzgeber festgestellten Schutzbedürftigkeit des in § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Personenkreises folgt aber, dass sich die Betriebsprüfung zwingend auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführenden GmbH-Gesellschafter erstreckt, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt ist.

Bei in der Vergangenheit abgeschlossenen beanstandungsfreien Betriebsprüfungen, die nicht durch einen hinsichtlich der Angabe von Gegenstand und Ergebnis der Prüfung hinreichend bestimmten Verwaltungsakt beendet wurden, mag zwar möglicherweise noch ein Anspruch auf Bescheidung des Arbeitgebers in Frage kommen. Damit kann aber kein Bestands- und Vertrauensschutz für die Vergangenheit begründet werden. Auch ist der Rentenversicherungsträger nicht verpflichtet, für vergangene Zeiträume zwischenzeitlich als rechtswidrig erkannte Feststellungen in dem zu erlassenden Verwal­ tungsakt zu treffen. Eine Selbstbindung der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund aufgrund einer früheren Verwaltungspraxis konnte schon deshalb nicht eintreten, weil den Behörden kein Spielraum bei der Beurteilung eingeräumt ist, ob eine Beschäftigung vorliegt.

Die in den vier Revisionen jeweils beigeladenen Geschäftsführer waren im Streitzeitraum entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des BSG zu Fremd- und Gesellschafter-Geschäftsführern von GmbHs jeweils abhängig beschäftigt und daher versicherungspflichtig. Vertrauensschutz aufgrund vorangegangener Betriebsprüfungen bestand nicht, denn in den Verfahren, in denen es im Vorfeld des Streitzeitraumes beanstandungslose Betriebsprüfungen gegeben hatte, waren lediglich pauschal gehaltene sog. Prüfmitteilungen übersandt worden. Solche Schreiben stellen mangels Regelungsge­ halts keinen Verwaltungsakt dar, der Grundlage für Vertrauensschutz sein könnte.

Die klagenden GmbHs können keinen Vertrauensschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG aufgrund einer Änderung der sog. Kopf-und-Seele-Rechtsprechung beanspruchen. Im Grundsatz besteht kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung, sondern nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer in jeder Hinsicht gefestigten und langjährigen Rechtsprechung. Zwar haben die Leistungssenate des BSG in der Vergangenheit zur Beurteilung von Ansprüchen auf Sozialleistungen als Ausnahme von der Regel der Maßgeblichkeit der Rechtsmacht Personen trotz fehlender Mehrheit an der GmbH als selbständig und deshalb nicht leistungsberechtigt angesehen, wenn sie „Kopf und Seele“ des Unternehmens waren. Auf diese als Ausnahme und nur nach Prüfung der Umstände des Einzelfalls entwickelte Rechtsprechung hat der für das Mitgliedschafts- und Beitragsrecht zuständige erkennende Senat nur sehr vereinzelt zurückgegriffen und die familiären Umstände lediglich als Teilaspekt in die Gesamtwürdigung der typusbildenden Kriterien einbezogen. Eine gefestigte „Kopf-und-Seele“-Rechtsprechung bestand nicht.

Quelle: Pressemitteilungen des BSG vom 03.09. und 20.09.2019

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