Erneut überraschendes Urteil zur Scheinselbständigkeit

Beobachtet man die letzten Urteile, scheint der Trend einer grundsätzlichen Annahme der Scheinselbständigkeit und somit das Vorliegen einer Sozialversicherungspflicht zumindest seitens der Richter gebrochen. Diese positive Entwicklung für Auftraggeber und dessen Auftragnehmer wird durch ein jetzt veröffentlichtes Urteil (S 45 R 1190/14) vom Sozialgericht Düsseldorf bestätigt.

Immer wieder die Frage: Abhängiges Beschäftigungsverhältnis – Ja oder Nein?

Diese Frage stellte sich ein bundesweit tätiger Paketzustelldienst, der regelmäßig Subunternehmer mit der Zustellung von Postsendungen beauftragt.

Da diese Subunternehmer ihrerseits  wiederum Subunternehmer, meist Kleinunternehmer mit nur einem Auftraggeber, mit der eigentlichen Ausführung der Zustelltätigkeiten beauftragten, sollte nun am Beispiel einer selbständigen Subunternehmerin eine verbindliche Feststellung über das Nichtvorliegen der Sozialversicherungspflicht durch die Deutsche Rentenversicherung erfolgen. Dies lehnte jedoch die Deutsche Rentenversicherung entscheiden ab.

Deutsche Rentenversicherung bescheinigte ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und somit das Vorliegen einer Sozialversicherungspflicht

In ihrer Begründung gab sie an, dass die Subunternehmerin grundsätzlich den Weisungen des Auftraggebers unterliege. So wurde ihr ein Auftragsgebiet zugewiesen, das Tragen der Kleidung des auftraggebenden Paketzustellers sowie eine eindeutige Kennzeichnung des im Besitz der Subunternehmerin befindlichen Zustellfahrzeuges verlangt.

Mit diesem Ergebnis gaben sich die Beteiligten nicht zufrieden und legten Klage gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung ein.

Die Richter des SG Düsseldorf führten eine differenziertere Betrachtung durch

Auch wenn die Richter des Sozialgerichts Düsseldorf ebenfalls einige Indizien über das Vorliegen eines möglichen abhängigen Beschäftigungsverhältnis  feststellten, so führten sie – entgegen der inzwischen leider üblichen Prüfpraxis der Deutschen Rentenversicherung – diesen Indizien auch die Punkte gegenüber, die für eine unternehmerische Tätigkeit sprechen und kamen zu einem anderen Ergebnis.

So war der Subunternehmerin vertraglich die Möglichkeit gegeben, wiederum Dritte mit der Zustellung zu beauftragen. Auch müsse sie nicht jeden Auftrag annehmen und konnte so ihre Tätigkeit und somit auch das Zustellungsgebiet frei bestimmen. Auch sahen die Richter in der Tatsache, dass die Subunternehmerin für Schäden und Verluste an den Paketen persönlich haftet und sie die Anschaffung und den Unterhalt des Zustellfahrzeuges allein zu tragen hat, dass die unternehmerischen Eigenschaften eindeutig überwiegen und stellten somit das Vorliegen eines nicht abhängigen und somit sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis fest.

1 + 1 ist immer öfter 3

So scheint zumindest der (persönliche) Eindruck, wenn man die Begründungen der Deutschen Rentenversicherung und die daraus resultierenden Schlüsse über das inzwischen scheinbar fast einheitlich „eindeutige“ Vorliegen einer Sozialversicherungspflicht als Ergebnis der einzelnen Statusfeststellungsverfahren und durchgeführten Betriebsprüfungen liest.

Das diese Ergebnisse jedoch nicht immer so eindeutig sind, wie von der Deutschen Rentenversicherung unterstellt und bei einer differenzierten (neutraleren?) Betrachtung gänzlich anders zu entscheiden ist, zeigen die letzten Urteile, in denen immer wieder vorangegangene Bescheide der Deutschen Rentenversicherung durch die Sozialgerichte aufgehoben und korrigiert wurden.

Da es in allen Fällen nicht nur um die einfache Entscheidung über das Vorliegen eines vermeintlich abhängigen oder eben doch nicht abhängigen Beschäftigungsverhältnis geht, es vielmehr in den meisten Fällen um Beitrags(nach)forderungen im fünfstelligen Euro Bereich und somit oftmals um das Schicksal ganzer unternehmerischer Existenzen geht, sollten betroffene Auftraggeber und dessen Auftragnehmer alle, auch in der Vergangenheit bereits getroffenen Bescheide durch erfahrene Spezialisten prüfen und ggf. auch im Klageverfahren in Begleitung von fachlich versierten Anwälten kritisch hinterfragen lassen!

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