Pensionsrückstellungen: Neuer HGB Zins – Ein Geschenk der Politik mit erhöhten Gefahrenpotential für viele Unternehmen

Nun scheint es beschlossene Sache: Entsprechend der Verabschiedung durch das Bundeskabinett dürfen nun Pensionsverpflichtungen in der Handelsbilanz mit dem durchschnittlichen Marktzins der letzten 10 Jahre, anstatt bisher der letzten 7 Jahre abgezinst werden. Doch führt diese Entscheidung tatsächlich zur langersehnten Entlastung der Unternehmensbilanzen oder handelt es sich hier um ein Geschenk der Politik mit erhöhten Gefahrenpotential für viele Unternehmen?

Niedrigzinsen belasten die Bilanzen

Die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre ließen die Pensionsverpflichtungen allein bei den DAX Unternehmen im Jahr 2014 um mehr als ein Viertel auf 372 Milliarden Euro steigen. Während die nach internationalen Regeln bilanzierenden Konzerne die dramatische Zinsschmelze inzwischen in ihre Bilanzen weitestgehend eingearbeitet haben und wie das Beispiel der Lufthansa zeigt, noch am eher schlechten, als rechten Verdauen der immens gestiegenen Belastungen sind, steht den meisten mittelständischen Unternehmen das böse Erwachen tatsächlich noch bevor.

Neuer HGB Zins: Eine zaghafte Entlastung der Bilanzen 

Wenn Bundestag und Bundesrat voraussichtlich nach im Februar dem Vorschlag des Bundeskabinetts folgen, soll der neue HGB Zins für alle Bilanzstichtage nach dem 31.12.2015 anwendbar sein. Für den Bilanzstichtag 31.12.2015 selbst, können die Unternehmen vermutlich zwischen der alten und neuen Ermittlung des durchschnittlichen Marktzinses wählen.

Sollte sich ein Unternehmen für den vermeidlich bilanzschonenderen Zinssatz entscheiden, so werden zukünftig Doppelberechnungen im Rahmen der jährlichen versicherungsmathematischen Gutachten notwendig. Auch wird der Unterschiedsbetrag einer Ausschüttungssperre unterlegt.

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Ein Blick auf die Zahlen

Entscheidet sich ein Unternehmen bereits zum Bilanzstichtag 31.12.2015 für die neue Berechnungsmethode, so würde der HGB Zins im Vergleich zum Vorjahr von 4,53 % auf lediglich knapp 4,3 %, anstatt auf 3,89% nach der alten Methode sinken und somit der weitere Anstieg der Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz merklich gemindert werden und begrüßenswerter Weise so manches Unternehmen zumindest vorübergehend vor der absehbaren handelsrechtlichen Überschuldung bewahrt.

Nur ein Aufschub mit fatalen Folgen

Auch wenn die nun beschlossene Zinsänderung richtig erscheint und von vielen Experten in einem weit größeren Ausmaß gefordert wurde, so sollte jedoch jedem Unternehmen und dessen Berater bewusst sein, dass durch diese Änderung die bereits heute bestehenden und inzwischen immer mehr Unternehmen schmerzlich bewusst werdenden, nicht selten existenzbedrohenden Probleme lediglich für wenige Jahre in die Zukunft vertagt und keinesfalls gelöst werden.

Ganz im Gegenteil! Sind es bereits heute zu viele Unternehmen, denen einfach zu wenig Zeit zur Auffüllung der jahrelang vernachlässigten Lücken bei der Finanzierung der bestehenden Pensionsverpflichtungen verbleiben, werden es durch die nun geplante Beschönigung des Rechnungszinses zukünftig vermutlich noch mehr Unternehmen sein, denen durch das nun vertagte Bewusstwerden des Pensionsproblems die Zeit zur nachhaltigen Lösung dann bereits seit langem weggelaufen sein wird.

Eine Insolvenz zehntausender, grundsätzlich gut funktionierender Unternehmen infolge einer handelsrechtlichen Überschuldung sowie der Verlust der sicher geglaubten Firmenrente für viele Unternehmer bei voller privaten Versteuerung der ursprünglich zugesagten Firmenrente, sind die unabwendbaren Folgen.

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Ganzheitliche Lösungen sind dringend gefordert

Es genügt nicht nur ein Blick auf die Passivseite der Unternehmensbilanzen, die nun aus der handelsbilanziellen Betrachtungsweise etwas aufgebessert werden soll.

Auch wenn diese – hier jedoch vielmehr die steuerrechtlich betrachtete Passivseite – einen zumindest in der Theorie bestehenden Anteil zur Finanzierung der zugesagten Pensionsverpflichtungen leisten sollte. Die echte Erfüllung, nämlich der aktuelle Stand der Ausfinanzierung der Pensionsverpflichtungen spiegelt sich vornehmlich auf der Aktivseite der Unternehmensbilanzen wieder.

Um hier spürbare, dringend notwendige Verbesserungen zu erzielen, bedarf es sicherlich nicht der vorübergehenden politischen Verschönung der Handelsbilanzen – haben wir uns doch seit Einführung von BilMoG unter anderem über die erhöhte Transparenz bei den realistisch zu erwartenden Kosten der zu erfüllenden Pensionsverpflichtungen und die von nun an bestehende Möglichkeit der Saldierung der Pensionsverpflichtungen mit dem bestehenden Deckungsvermögen gefreut!

Der richtige Lösungsansatz und jeder Tag sind entscheidend!

Da eine für die Unternehmen deutlich hilfreichere Neujustierung des Steuerzins seitens der Politik auch auf lange Sicht nicht zu erwarten ist, sollten alle Unternehmen angesichts der zu erwartenden weiteren Verschlechterung der Rahmenbedingungen umgehend – und hier zählt tatsächlicher jeder Tag – geeignete und für jedes Unternehmen individuell festzulegende Gegenmaßnahmen ergreifen.

Hierzu steht bereits heute allen Unternehmen – ganz gleich, ob kleineres mittelständisches Traditionshaus oder großer Industriekonzern –  ein umfangreicher Katalog an geeigneten Maßnahmen zur Verfügung.

Begonnen bei der transparenten und tatsächlich realistischen Bewertung aller bereits im Unternehmen bestehender Pensionsverpflichtungen. Über die für alle Seiten verträgliche Umgestaltung der bestehenden Zusagen. Dem Einsatz von tatsächlich bilanzverbessernden Maßnahmen. Der dringend angebrachten kritischen Hinterfragung der Effizienz der bisher gewählten Finanzierungsform sowie in dessen meist zu erwartenden logischen Ergebnis, die zukunftsorientierte Neuausrichtung einer breit aufgestellten, für die Unternehmen flexibel gestalteten, tatsächlich nachhaltigen Finanzierung.

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